Das Organisationsrecht der Hochschulmedizin muß sowohl den Aufgaben medizinischer Forschung und Lehre, als auch den betrieblichen Erfordernissen der Krankenversorgung gerecht werden. Angestoßen durch die Medizinempfehlungen des Wissenschaftsrates von 1976 gilt für die Hochschulmedizin in allen Bundesländern schon heute ein besonderes Organisationsrecht im Verband der Universität. Die Fakultätsorganisation folgt zwar weitgehend dem Organisationsrecht der übrigen Fakultäten, jedoch verstärkt das Gesetz die Repräsentation der zahlreichen Kliniken und Institute im Fakultätsrat (º 25 Universitätsgesetz).
Die zum Universitätsklinikum als rechtlich unselbständiger Anstalt der Universität zusammengefaßten Kliniken und Institute der mittelbaren Krankenversorgung (º 29 UG) werden durch den Klinikumsvorstand (º 29a UG) geleitet, dem, unabhängig von der Universitätsleitung und den Kollegialorganen der Universität, die Allzuständigkeit in Fragen der Krankenversorgung, vor allem die Verfügung über den in Tübingen mit über 700 Mio. DM dotierten Klinikumshaushalt zusteht. Über die Fachaufsicht übt das Ministerium einen erheblichen, gegenüber der Universität in jedem Fall größeren Einfluß auf das operative Geschehen des Klinikums aus. Als für die Ressourcenzuteilung zuständiges Organ verfügt der Klinikumsvorstand auch über den entscheidenden Einfluß auf strategische Entscheidungen im Bereich medizinischer Forschung und Lehre.
Zum einen auf die finanzwirtschaftliche Stärkung der Medizinischen Fakultät und Straffung ihrer Entscheidungsstrukturen. Dazu sollen bis auf akademische Entscheidungen alle Kompetenzen auf einen kollegial geleiteten (Dekan, Prodekan Forschung, Studiendekan) Fakultätsvorstand übertragen werden. Der Fakultätsrat bleibt für akademische Angelegenheiten und Grundsatzentscheidungen zuständig.
Zum anderen wird die Herauslösung des Universitätsklinikums in eine rechtlich selbständige, nur der Rechtsaufsicht des Ministeriums unterliegende Anstalt des öffentlichen Rechts vorgeschlagen. Organe sind der mit Vertretern des Landes, der Universität, aus Wissenschaft und Wirtschaft besetzte Aufsichtsrat und der aus dem Leitenden Ärztlichen Direktor, seinem Stellvertreter, dem Dekan, dem Verwaltungsdirektor und der Leitenden Pflegekraft bestehende Vorstand. Die Kompetenzen werden entsprechend der aktienrechtlichen Führungsorganisation geschnitten: Die operative Verantwortung liegt demnach beim Vorstand, die Funktion der Aufsicht und der Bestellung des Vorstands beim Aufsichtsrat, der darüber hinaus grundsätzliche unternehmenspolitische Entscheidungen zu genehmigen hat.
Die Koordination zwischen Fakultät und Vorstand soll durch personelle Verbindungen zwischen beiden Organen (Dekan im Klinikumsvorstand, Ärztlicher Direktor und Verwaltungsdirektor im Fakultätsvorstand) gesichert werden (sog. Kooperationsmodell).
Der jetzt an der Universität Tübingen im Sommersemester erreichte Kompromiß greift Elemente dieses Modells auf, sichert aber der Fakultät für ihre Aufgaben die notwendige organisatorische und finanzwirtschaftliche Eigenständigkeit. Das Fakultätsbudget soll zwischen Fakultätsvorstand und Klinikumsvorstand verhandelt werden. Die endgültige Entscheidung, auch im Falle des Dissenses, liegt beim Verwaltungsrat. Im Klinikum, das die Kliniken und Institute der mittelbaren Krankenversorgung umfaßt, soll das aktienrechtliche Führungsmodell, verwirklicht werden. Vor allem aber erhält das Klinikum die erforderliche wirtschaftliche Eigenständigkeit, nicht nur gegenüber der Universität, sondern auch gegenüber dem Land. Dies bedingt die Aufgabe steuernder Einzeleingriffe und Beseitigung aller kameralistischen Elemente der Bewirtschaftungsbestimmungen.
Die Professoren erhalten einen personalrechtlichen Doppelstatus. Auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter bleiben Mitglieder der Universität. Die nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiter werden Beschäftigte der Anstalt. Dies setzt die Wahrung ihres personal- und versorgungsrechtlichen Status voraus.
Für die Personal- und Wirtschaftsverwaltung der Medizinischen Fakultät ist für jede Universität eine Option für die Zentrale Verwaltung oder die Klinikverwaltung (im Auftrag der Universität) vorgesehen.
Für die Universitätsklinika Freiburg, Heidelberg und Tübingen gilt daneben die Bestandsgarantie der Landesverfassung. 1974 hat der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg die derzeitige Organisation des Klinikums als Anstalt innerhalb der Universität für rechtens erklärt.
Eine rechtliche Verselbständigung ohne Beachtung der organisatorischen und personellen Verzahnung wäre daher mit einigen verfassungsrechtlichen Risiken behaftet.
Eine kollegiale Fakultätsleitung ist erst nach einer Novelle des HRG möglich. Die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen vom Fakultätsrat auf die Fakultätsleitung läßt das Bundesverfassungsgericht dagegen zu. º 64 Abs. 3 HRG öffnet dafür weiten Gestaltungsspielraum. Die für die zentralen Kollegialorgane maßgeblichen Grundsätze (º 61 Abs. 2 HRG) und Zuständigkeitskataloge (º 63 Abs. 2 HRG) gelten nicht für die Fakultät.
Die auch innerhalb der Medizinischen Fakultäten umstriqttene Stärkung der Fakultätsleitung sollte aber durch Berichtspflichten gegenüber dem Fakultätsrat und seine obligatorische Anhörung vor Verteilung von Mitteln ergänzt werden.
Die bevorstehende Gesetzgebung in Baden-Württemberg geht einen Mittelweg. Sie ist verfassungskonform gestaltbar. trotz der Herauslösung des Universitätsklinikums bietet die Reform auch Chancen. Für die Medizinische Fakultät, im Verbund mit der Universität ihr Potential für zukunftsweisende Konzeptionen zu nutzen, für die Universität, im Aufsichtsrat des Klinikums ihre strategischen Entscheidungen mit denen des Klinikums stärker zu verknüpfen. Die Organisationsreform des Klinikums wird von den Ärztlichen Direktoren aber nur dann als Fortschritt empfunden, wenn ihnen nicht nur erhöhte wirtschaftliche Verantwortung übertragen, sondern eine effiziente Verwaltungsstruktur auf der Ebene der Kliniken und Abteilungen geschaffen wird.
Prof. Dr. Georg Sandberger ist Kanzler der Universität Tübingen
Presse
MAIL(michael.seifert@uni-tuebingen.de)
Presseamts-Info@www.uni-tuebingen.de(dezelski@uni-tuebingen.de) - Stand: 17.10.96 Copyright